Das Fest Sizdah Pâdare oder Sizdah Bedar

Die Feierlichkeit am 13. Farvardin {13. فروردین} [der erste Monat des iranischen Sonnenkalenders], ist ein sehr seliges und geliebtes Fest. Iraner bezeichnen diesen Tag dennoch als einen unheilbringenden Tag, denn eine große Mehrheit der Iraner kennt sich leider mit der Entstehungsgeschichte dieses Tages nicht gut aus.

Sabze ins Wasser geben

Um dem Unheil an diesem Tag fern zu bleiben, gehen sie ins Freie und feiern außerhalb von zu Hause in der Nähe eines Flusses oder einer grünen Wiese. Sie tanzen und jubeln den ganzen Tag. Bevor sie nach dem Fest nach Hause gehen, geben sie das Grüne (sabze), das sie für den Haft Sin haben wachsen lassen, ins fließende Wasser eines Flusses und beten für das neue Jahr für mehr Überfluss und Wohlstand. Bis heute finden wir keine Quelle von den Geschichtsschreibern und Forschern der damaligen Zeit, in denen sie diesen Tag als einen unheilbringenden Tag registriert oder bezeichnet haben. Stattdessen haben sie alle einstimmig den 13. Tag des Nouruz-Festes, als einen sehr gesegneten und günstigen Tag bezeichnet. Zum Beispiel auf der Seite 266 des Buches Âsârolbâqiye anal-qorunolbâqiye [1] nennt Bâbâ Reyhân Biruni [2] [بابا ریحان بیرونی] in einer Tabelle der „Unheil- und Glück bringenden Tage“ den 13. Tag des Nouruz als „Tir Ruz“ {der Tag Tir} als günstig; dieser Tag jedoch war auf keinen Fall ein Unheil und Unglück bringender Tag.

Nach der Stabilität des Islam im Iran vor Jahrhunderten und angesichts dessen, dass Araber jeden 13. Tag des Jahres als schlechtes Vorzeichen betrachten, wurde die Bedeutung des Tages fälschlicherweise auch bei Iranern angenommen. Von da an bezeichnen Iraner den 13. Tag des Nouruz-Festes als einen Unheil bringenden Tag. Wenn wir aber nach den Wurzeln dieses Brauches forschen, finden wir heraus, dass die Seligkeit des Tages wohl mit Geschichtsquellen zu belegen ist. Das Wort Sizdah Bedar hatte sich im Laufe der Zeit aus dem Begriff Sizdah Pâdare entwickelt. Sizdah Pâdare heißt, der 13. Tag steht nun am Türrahm [Pâdare] und will sich verabschieden und gehen. Später sagte man Sizdah Bedar [Abschied vom 13. Tag].

Teyeštar

Der 13. Tag eines jeden Monats des Sonnenkalenders heißt „Tir Ruz“ (der Tag Tir) und wird dem erhabenen Amšâspandân [3] „Tir“ zugeschrieben. In der Pahlavi Sprache heißt dieser Begleiter und Helfer des Ahura Mazda „Teyštar“, er wird als die Gottheit und der Beschützer des Regens in Mazdeyasnâ [4] genannt. Diese heilige Gottheit im Mazdeyasnâ Glauben beansprucht eine sehr hohe Stellung. Die antiken Iraner feierten die ersten zwölf Tage des neuen Jahres als Symbol der zwölf Monate eines Jahres. Sie gingen dann am dreizehnten Tag des Nouruz-Festes, der aufgrund seiner Seligkeit eine bedeutendere Rolle hat, ins Freie und verbrachten den Tag draußen mit Heiterkeit und Fröhlichkeit. Dadurch hatten sie mit dieser Feierlichkeit die Förmlichkeit des Nouruz-Festes beendet.

sabze gere zadan

Der Schöpfungsmythos des antiken Iran, die Legende um den ersten Menschen und König und die Erkenntnis über die Sagen bezüglich Kayumars verdienen große Beachtung. Im heiligen Buch des zoroastrischen Glaubens Avestâ wird oft von Kayumars erzählt. In Buche Avestâ wird er als der erste Großkönig und Mensch auf der Erde beschrieben. Hamze Esfahâni [5] im Buch Saneye molukol-arze val-anbiyâ’ [6], Mas’udi [7] im zweiten Band des Buches Morujozzahab va ma’âdenol-jouhar [8] und Biruni im Âsârolbâqiye anal-qorunolbâqiye zitieren aus den Urtexte der Pahlavi Sprache ähnliches.

Maši und Mašiyâne

Maši und Mašiyâne (Avestâ: Adam und Eva), Zwillingsgeschwister und Kinder des Kayumars, vermählten sich am 13. Farvardin erstmalig auf der Erde. Die Eheschließung war in alten Zeiten nicht wie heute; um sich zu vermählen, haben die beiden schlicht und einfach das grüne Gras als Symbol ihrer Verbundenheit zusammen geknotet. Diese Tradition wurde dann in der antiken Zeit von Mädchen und Jungen, die das Heiratsalter erreichten, praktiziert. Diese Tradition wird bist heute von jungen Frauen und Männern angewendet. Sie wünschen sich die baldige Vermählung und knoten dabei das grüne Gras. Diese Tradition ist mit dem Untergang der Kayâniyân Dynastie [9] in Vergessenheit geraten und ist erst zu Beginn der Achämeniden Herrschaft wieder aufgetaucht und ist seither gängig bis zur heutigen Zeit.

Ânâhitâ

Doktor Mubad [10] Kuroš Nikmâm sagt über die Tradition des Knotens des grünen Grases: „Manche der Traditionen der Nouruz Festlichkeiten haben nicht unbedingt ihren Ursprung im zoroastrischen Glauben, sondern in den Bräuchen der alten arischen Stämme, die vor langer Zeit und vor Zarathustra im Iran lebten“. Im Buch Avestâ in Vispard [11] Kapitel 6, Zeile 20 ist zu lesen, dass der Begleiter und Helfer Ahurâ Mazdâs, „Teštar“, von dem in obigen Zeilen erzählt wurde, ein Regengott ist, der im Himmel wie ein weißes Pferd ständig in Bewegung ist und sich immer wieder im Krieg mit den Dämon „Apoš“ befindet. Wenn er diesen Krieg gewinnt und Apoš besiegt, wird das Jahr ein wunderbares Jahr mit viel Regen und blühender Natur. Aus diesem Anlass gehen Iraner am 13. Tag des Farvardin ins Freie. Frauen, die die Stellvertreterinnen der Gottheit „Ânâhitâ“ sind (die selbst eine Begleiterin und Helferin des Ahurâ Mazdâ ist), werden durch ihre Liebkosung und Zärtlichkeit zur Natur und das Knoten des grünen Grases den Regengott im Kampf gegen den Dämon unterstützen.

Es gibt gewisse Ähnlichkeiten zwischen der „Sizdah Pâdare“ Festlichkeit und den Gebräuchen der Katharer [12], die wahrscheinlich die Hinterbliebenen der Manichäisten im Europa sind. Ihre Lehre ist eine Mischung aus dem zoroastrischen Glauben, Gnosis, Buddhismus und Christentum. Die Frage ist: Haben diese beiden Feste dieselbe Wurzel?

Katharer

Katharer gehen beim Osterfest (diese ist manchmal sehr nah am 13. Farvardin) ins Freie. Sie verbringen den Tag in der Nähe des Grünen und der Felder, sie nehmen Eier als Mittagessen mit. An diesem Tag ist es eine unterhaltsame Beschäftigung für Kinder, die die von den Erwachsenen versteckten Eier suchen sollen.

Die drei Ähnlichkeiten bei den beiden Festen „Sizdah Pâdare“ und „Ostern“ sind:

1- Der Anfang beider Feste ist der Beginn des Frühlings und die Frühlingstagundnachtgleiche.
2- Am Sizdah Pâdare gehen Iraner und im Ostern die Katharer ins Freie und verbringen den Tag in der Natur.
3- Das Spiel „Eier verstecken“ ist nur an diesem Tag des Jahres üblich.

Aprilscherz:

Aprilscherz

Eine andere Ähnlichkeit der beiden Tage ist der Aprilscherz und die Sizdah Pâdare Späße. In jedem vierten Jahr ist der erste April am 13. Tag des Monats Farvardin und drei Jahre hintereinander am 12. Farvardin [dies Jahr ist der 2. April genau am 13. Tag des Monats Farvardin]. Fröhlichkeit, Tanzen, Späße und Clownspielerei, Lachen aus ganzem Herzen und vor allem das Lügen zum Veräppeln der Leichtgläubigen sind die Merkmale des Festes Sizdah Pâdare.

Die Sizdah Pâdare Feierlichkeit am 13. Tag des Farvardin spielt wie die Cahâršanbe Suri Feierlichkeit eine sehr bedeutende Rolle bei Iranern. Wir empfangen und begrüßen das Neujahr (Nouruz) mit einem Cahâršanbe Suri Fest und beenden und verabschieden uns vom Neujahr mit einem Sizdah Pâdare Fest. Das Nouruz Fest, ist ein Fest inmitten der Familie; sie beginnt und endet mit zwei wunderbaren Traditionen, die das Symbol der Einigkeit und Gebundenheit sind. Lasst uns die Feste, die uns seit den Tagen unserer Ahnen begleiten, schützen und weitergeben. Lasst uns den Ursprung dieser Traditionen richtig erforschen und ihre Richtigkeit vom Falschen trennen, ohne jegliche Dogma in Bezug auf unsere Ahnen, Herkunft und Vergangenheit zu setzen. Lasst uns diese wertvollen Schätze unseren (Kindes-) Kindern weitergeben.

Frohes Sizdah Pâdare Fest wünscht allen das Online-Magazin Pârse & Pârse

پارسه و پارسه جشن سیزده پادره را شادباش و فرخنده می گوید

Pârse & Pârse jašne Sizdah Pâdare râ šâdbâš va farxonde miguyad

Anmerkungen:
[1] zu Deutsch: Hinterlassenschaften aus früheren Jahrhunderten [آثار الباقیه عن القرون الخالیه]
[2] Bâbâ Reyhân Biruni (Abu Reyhân Biruni) (* 973 – † 1048 n. Chr.) war persischer Universalgelehrter, Mathematiker, Kartograph, Astronom, Astrologe, Philosoph, Pharmakologe, Forschungsreisender, Historiker und Übersetzer aus Choresmien. Nach ihm wurde ein Mondkrater benannt.
[3] Amšâspandân ist die Bezeichnung der sieben „Begleiter und Helfer“ Ahurâ Mazdâ.
[4] Das Wort Mazdeyasnâ ist eine Zusammensetzung der Wörter „mazda“ und „yasnâ“. Das Wort „mazda“ bedeutet „dânâ“ (der Wissende) und ist einer der Namen des Gottes im zoroastrischen Glauben; „yasnâ“ bedeutet „setâyeš“ (Lob, Lobpreisung, Verehrung), „yasnâ“ kommt aus der avestischen Sprache, also dieselbe Sprache, in der der erhabene Zarathustra seine Worte verfasst hatte. Einer der Beinamen von Zartošt Espitmân (Zarathustra) ist Mazdeyasnâ, was „der Lobpreiser des Allwissenden“ bedeutet.
[5] Hamze Esfahâni ist ein iranischer Lexikograph, Schriftsteller und Geschichtsschreiber (* 893 od. 902 – † 961 od. 971 n. Chr.) [حمزه اصفهانی]
[6] zu Deutsch: „die Geschichte der Könige und die Geschichte der Propheten“ [سنی ملوک الارض و الانبیا]
[7] Mas’udi [مسعودی] oder (Abolhasan Ali Ebnalhusayn Almas’udi) [أبو الحسن علي بن الحسين بن علي المسعودى] um 895 in Irak; † 957 in Ägypten ist ein irakischer Philosoph, Geograph, Historiker und Reisender.
[8] zu Deutsch: „Die Goldwiesen und Edelsteingruben“ [مروج الذهب ومعادن الجوهر] ist ein umfassendes Buch in 13 Bände über Geographie, Religion, Philosophie, Geschichte und Politik.
[9] Kayâniyân ist die zweite Herrscherdynastie in der legendären Geschichte des antiken Iran.
[10] Mubad oder Mubed ist der Titel eines Geistlichen im zoroastrischen Glauben.
[11] Vispard oder Vespard ist eines der sechs Kapitel des Buches Avestâ.
[12] Der Katharismus weist starke Grundelemente der Glaubensrichtung Manichäismus des persischen Religionsreformers und Philosophen Mani (Mâni) (ca. 215 bis 276 n. Chr.) auf der Basis der zoroastrischen Religion auf. Im Katharismus und Manichäismus sind der Gott und der Teufel beide gleich mächtig und fortwährend im Widerstreit gegeneinander, mit anderen Worten Dualismus.

Quellen:

Das Dehxodâ Wörterbuch
Das Buch Avestâ

5 Gedanken zu „Das Fest Sizdah Pâdare oder Sizdah Bedar

  1. Ein informativer Artikel! Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass der Aufenthalt in der Natur an Sizdeh be dah nicht mit Unglück assoziiert werden sollte. Iraner MÜSSEN den „wahren“ bzw. ursprünglichen mythologischen Hintergrund hinter diesen Festtagen wissen und deshalb sind Artikel wie diese goldwert! ;-). Ich möchte nur noch kurz anmerken wegen der Entstehung der Menschheit nach der iranischen Mythologie: Gayomard (Kiumars) war in der ursprünglichen iranischen Mythologie der Urmensch, der die 6. materielle Schöpfung von Hormazd war. Er ist der Urahn aller Menschen; denn aus seinem Samen entsteht das Erze Menschenpaar (Mashya und Mashyana). Ich bin mir ganz sicher, dass Gayomard im Avesta und anderen wichtigen Schriften wie Bondahesh nicht der erste Großkönig der iranischen Geschichte ist. (Zu seiner Zeit war er ja neben dem „einzig-geschaffenem Rind“ das einzige tierische Lebewesen). Im Schahnameh ist Kiumars dann plötzlich der erste Großkönig und von dem ersten Menschenpaar (Mashya und Mashyana) ist dann aufeinmal auch keine Rede mehr. Ich weiß nicht wieso aufeinmal die originale Überlieferung über die Erschaffung des Menschengeschlecht (wie im Avesta und Bondahesh) im Schahnameh dann „verdorben“ wurde… Und was Mashya und Mashyana angeht; ich würde sie nicht mit Adam und Eva vergleichen; vor allem weil sie aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen und grundverschieden sind. Bei den „Abrahimiten“ wurde Adam von Gott erschaffen und Eva dann aus den Rippen von Adam. Bei den Iranern gab es wie bei anderen indogermanischen Kulturkreisen erstmal ein „Urmensch“, der von Gott erschaffen wurde. (Iran: Gayomard, Indien: Yama, Deutschland: Ymir). Als Gayomard stirbt (durch Ahriman), wird sein Samen von der Sonne „geläutert) und dann von Nariosang und Spenta Armaity bewacht. Und an der Stelle wo die Samen sich befinden, wächst nach 40 Jahren das erste Menschenpaar Mashya und Mashyana in Gestalt eines Baumes. Der Baum war von gleicher Beschaffenheit und man konnte nicht erkennen wer Mann und wer Frau war; zwischen dem baumartigen Menschenpaar wurde der Farr erschaffen. Nach einer bestimmten Zeit nahm das Paar menschliche Gestalt an und der Farr wurde zur Seele, die dem Menschen innewohnt. Dieser Mythos hat bemerkenswerte Übereinstimmungen mit der nordischen Mythologie. Dort heisst das erste Menschenpaar Ask und Embla und auch diese wachsen zuerst in einer Baumgestalt, bevor sie dann auch menschliche Form annehmen (!). Schade, dass im Schahnameh nichts über Masyha und Masyhane gesagt wird. Denn in diesen Punkten sieht man ganz deutlich die indogermanische Verwandtschaft der Iraner. (Die Iraner heute aber identifizieren sich lieber mit fremden, semitischen Mythologien und Religionen :(. )

  2. Danke für den sehr aufschlussreichen Artikel! Lese hier gern mit.

    Noch ein Literaturhinweis. Paul Kriwaczek, In Search of Zarathustra, Weidenfeld & Nicolson London 2002. Ausgezeichnetes Buch über ‚The First Prophet and the Ideas That Changed the World‘. Paul K. schrieb auch über ‚Babylon‘.

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